Placebo

Never Let Me Go

Künstler: Placebo
Album: Never Let Me Go
VÖ: 25.03.22
Label: SO Recordings
Website: https://www.placeboworld.co.uk/
(c) Slider-Foto: Mads Perch

Bearbeitet: @daniela.duessler

Placebo sind zurück! Mehr als ein Vierteljahrhundert nachdem Sänger und Gitarrist Brian Molko und Bassist Stefan Olsdal in Molkos Wohnzimmer in Deptford mit kaputten Gitarren und Spielzeuginstrumenten herumhantierten, hat das Duo seinen atemberaubenden achten Longplayer eingespielt.

„Never Let Me Go“ heißt das Album, auf dem Molko und Olsdal ihr ganzes Können als Songwriter und Soundtüftler in eine Musik einfließen lassen, die nicht nur ihren fast schon brutalen Appetit auf Selbstdarstellung befriedigt, sondern auch eine wütende Relevanz für unsere aktuelle Zeit hat. Aus der Pandemie heraus blicken sie auf eine Landschaft der Intoleranz, der Spaltung, der technischen Übersättigung und der drohenden Öko-Katastrophe.

Die 2021-er Ausgabe von Placebo ist das diametrale Gegenteil selbstgefälliger Karrieresattheit, denn anstatt sich zurückzulehnen und sich auf ihrem früheren Ruhm auszuruhen, setzen sie sich sowohl mit globalen Problemen als auch mit ihren eigenen kreativen Anforderungen auseinander.

Mit ihrer Best-Of-Sammlung „A Place For Us To Dream“ waren sie 2016 auf weltweiter Greatest-Hits-Tour – größtenteils in Arenen und auf großen Open Air Bühnen – für die sie ihre 90er Hits „Pure Morning“, „Nancy Boy“ und „Without You I’m Nothing“, ein Stück, auf dem David Bowies Stimme zu hören ist, entstaubten. Das Marketing-Drehbuch sah wohl vor, dass das allabendliche Spielen dieser Songs sie wieder mit ihren kommerziellsten Instinkten verbinden würde, aber die Tour wurde für die Band schnell zum Albtraum.
„Ich fand, dass das alles ein bisschen zu kommerziell wurde, in dieser Zeit – der Zeit der Retrospektive“, sagt Brian heute und lässt eine gewisse Abscheu durchblicken. „Die ganze Sache war eher kommerziell als künstlerisch und wir haben uns dagegen gewehrt. Ich dachte mir: ‚Scheiß drauf, die nächste Platte wird vom Schmerz der Welt handeln!‘ Der stumme Schrei, der überall zu hören ist – das ist es, was mich interessiert. Nicht dieses masturbatorische, selbstbeweihräuchernde Zwei-Jahres-Ding von wegen ‚Sind wir nicht toll?‘

Stefan fügt hinzu: „Es war eine zermürbende Fünf-Jahres-Tour, die vom letzten Album [2013 ‚Loud Like Love‘] bis zur Greatest Hits Tour ging. Es ging irgendwie immer weiter und es saugte buchstäblich das Leben aus mir heraus. Ich hatte nicht mehr viel Begeisterung für die Band übrig, ich glaube, ich war einfach ausgelaugt. Der Gedanke, dasselbe wieder zu tun, erfüllte mich mit Grauen.“

Es war Brians Energie – unbestreitbar ein widersprüchlicher und ablehnender Geist – die Placebo wieder zum Leben erweckte. Nachdem die Band seit 2015 nur mit einem Tour-Schlagzeuger gearbeitet hatte, schloss sich der Kreis, als nunmehr nur die beiden Gründungsmitglieder Brian und Stef wieder zusammenkamen, um 2018 mit der Arbeit an „Never Let Me Go“ zu beginnen – dieses Mal in Stefs Heimstudio in East London, also etwas professioneller als in den Anfangstagen.