Max Raabe
Der perfekte Moment…wird heut verpennt
Künstler: Max Raabe
Album: “Der perfekte Moment…wird heut verpennt”
VÖ: 27.10.2017
Label: Universal Music / Deutsche Grammophon
Website: http://www.palast-orchester.de
Bearbeitet: @thorsten.ammann
Neun Jahre ist es her, da wollte Max Raabe mehr eigene Songs schreiben. Das Repertoire der Zwanzigerjahre nicht nur pflegen, sondern modern weiterschreiben. Er fragte Annette Humpe, ob sie ihm dabei helfen möge, und die sagte: Okay. Zwei Alben („Küssen kann man nicht alleine“ und „Für Frauen ist das kein Problem“) schrieb er mit der Sängerin und Produzentin (u.a. Humpe & Humpe, Ideal, Ich+Ich). Nun war Raabe mit Annette Humpe auf einer Geburtstagsfeier, und er sagte ihr: „Du, wir sollten mal wieder.“ Sie sagte: „Ja, klar, aber du könntest auch mal mit den Jungs von Rosenstolz, die stehen da drüben.“ Und er ging rüber und fragte sie.: „Sollen wir mal?“ Wenige Wochen später traf er die Herren, namentlich Peter Plate, Ulf Leo Sommer und ihren Co-Produzenten Daniel Faust, in Kreuzberg. Max Raabe brachte ihnen Streuselkuchen mit. „Heute ist ein guter Tag, um glücklich zu sein“, sagte er und die Popfachkräfte, die nickten, und machten dann ihren Job, sie schrieben das auf. „Mit Max Raabe zu schreiben“, sagt Peter Plate, „das war wie Urlaub.“ Also schickten sie seinen Gesang auf Reisen, an die Côte d‘Azur, wo er sich unter dem schönsten Himmelblau, nach dem sehnt, was alleine auf Reisen immer fehlt: die Begleitung. „Statt Cannes und Nizza, säß’ ich mit Pizza, viel lieber mit dir Hand in Hand.“ Zu perfekten Raabe-Reimen, die man sich sofort auf sein Sonnenvisier drucken möchte, dehnt sich ein Akkordeon zwischen Frohsinn und Ferienmelancholie – produziert von Daniel Faust. Die Erweiterung seines Autoren- und Produzententeams hat Raabes Genre nicht verändert, sie hat ihm ein Fenster geöffnet. Eine Brise Pop kam herein und legte sich mit Klanghölzern und Steeldrum über die gewohnt, perfekte Orchestrierung des Palast Orchesters. Das Album, das mit einem leichten Vibraphon beginnt und in einem 30-köpfigen Streichorchester gipfelt, klingt nach Sommer – und dem Spätsommer einer Romanze. Leicht schwingend hängt man mit Raabe in der Hängematte der Erwartungen, die man an das Leben zu zweit einst hatte. „Als ich erkältet war, hast du nur zu mir gesagt: Komm’ mir nicht zu nah’.“ In Heut bring ich mich um, windet man sich mit Raabe schwarzhumorig in Selbstmitleid. Soll der Partner einen doch vermissen! Man ist ein bisschen trotzig. Bleibt dann einfach im Bett liegen. Denn: Der perfekte Moment … wird heut verpennt. Max Raabe schätzt das Faulsein. Wenn er darüber singt, erklingt eine Ukulele dazu, und Faulsein, das klingt plötzlich nach Hawaii und Ferien mit den Humpe Schwestern. Das ist moderner Pop, aber wenn Max Raabe ihn singt, wird eben auch „modern“ und „Pop“ sehr zeitlos. Mit Annette Humpe schrieb er dieses Mal drei Lieder. Darunter ein tatsächlich komplett ernstes Lied. Willst du bei mir bleiben ist eine Hochzeitshymne. Raabe und Humpe sagen, sie ist ernst, weil Heiraten eben eine ernste Angelegenheit ist. Aber Ernst nimmt bei Max niemals Überhand. Humor löst jede Wolke auf. Und ist es doch mal ganz dunkel, besingt er den Mond. „Kein leichtes Sujet“, sagt Raabe, „haben sich doch von Goethe bis Eichendorff alle schon mal an dem Erdtrabanten abgearbeitet.“ Aber gemeinsam mit seinem dritten Co-Autor, dem Komponisten Achim Hagemann, (u.a. “Die Popolski Show”, Hape Kerkelings „Hurz“), der auch schon Raabes „Du passt auf mich auf“ mitgeschrieben hat, gelingt eine ganz neue Mond-Sinfonie, ein Nachtlied voller Grandezza. Auf die elegant verklärte Nacht folgt dann wieder Alltag: „Es war ein Donnerstag, als ich so glücklich war.“ So ist das bei Raabe, das Große findet immer im Kleinen statt – oder auf dem Fahrrad. Mit Fahrrad fahr’n hat er den Kanon der deutschen Radfahrlieder, um neue 140 Beats per Minute ergänzt. Diese schnellste, neue Raabe-Nummer, muss so schnell sein, denn „Max Raabe“, sagt Achim Hagemann, „ist eben auch ein schneller Radfahrer.“ “Der perfekte Moment … wird heut verpennt“ jedenfalls ist ein Album, das dem Hörer schnell gefährlich wird. Zwölf Titel überreden einen zur gedanklichen Reise in den Sommer. Ehe man sich versieht, bleibt man mit ihnen da, wo es den geringsten Widerstand gibt – im Bett.